„Wie, schon wieder Ramadan!?“

Fragen und Konflikte im Schulalltag rund um den Fastenmonat

Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Kalenders und beginnt in diesem Jahr am Abend des 10. März. Die Zeit des Ramadan ist – ähnlich wie Weihnachten – eine Zeit der Besinnlichkeit und ein Fest der Familie und Gemeinschaft, auf das sich die meisten Muslim*innen freuen, egal ob sie mehr oder weniger religiös sind. In der Schule (und im Berufsleben) bringt das in einer von Diversität und Heterogenität geprägten Gesellschaft spezifische Herausforderungen und Fragen mit sich: Wie können reguläre Abläufe gewährleistet werden und gleichzeitig religiöse Bedarfe Beachtung finden? Wie können Jugendliche, die fasten wollen, einen Weg und Unterstützung finden, ihren Schulalltag mit dem Fasten zu verbinden? Wie kann Konflikten unter Jugendlichen begegnet oder ungesunden ‚Fastenwettbewerben‘ vorgebeugt werden?

Auf den folgenden Seiten finden Sie:

Ein Interaktives Schaubild mit den wichtigsten und oft als besonders herausfordernd beschriebenen Fragen und Konflikten. Über das Anklicken der Schriftfelder gelangen Sie zu Pop-up-Fenstern mit Informationen und Praxisvorschlägen.

Hintergrundinformationen und allgemeine Hinweise zum Ramadan in Religion, Gesellschaft und in der Schule.

Audio-Datei mit Statements von Lehrer*innen und Schüler*innen: Was bedeutet der Ramadan für sie? Was haben sie erlebt? Wie reagieren sie auf die Herausforderungen?

Hinweise auf weitere Literatur mit Praxisvorschlägen.

Interaktives Schaubild

Illustrationen_Ramadan

Fachunterricht

Außer im Sportunterricht (s. Sport und andere Aktivitäten) kann das Fasten auch in anderen Fächern zum Thema werden: So bieten zum Beispiel Ethikunterricht oder Lebenskunde die Möglichkeit, sich mit dem Sinn und Zweck des Fastens oder anderen Ritualen in Religionen und Gemeinschaften zu beschäftigen. Auch die Behandlung des Themas Sexualität im Biologieunterricht kann während des Ramadans auf Vorbehalte stoßen. Das können Sie zum Anlass nehmen, um mit den Jugendlichen darüber ins Gespräch zu kommen, wie unterschiedlich der Umgang mit Tabus, Normen, Traditionen und Gebräuchen von Menschen in Bezug auf Liebe und Sexualität sein kann. Gemeinsam ist ihnen, dass Sexualität im Leben von Menschen eine besondere Rolle spielt. Ein Beispiel: Im Ramadan soll tagsüber ja nicht nur auf Essen und Trinken, sondern auch auf Sexualität verzichtet werden.

Ramadan im Diskurs

2016 nahm Joachim Gauck als zweiter Bundespräsident nach Horst Köhler an einem Fastenbrechen teil und sendete damit nicht nur an die muslimische Bevölkerung ein Signal der Zugehörigkeit. Mittlerweile wenden sich viele prominente Politiker*innen mit solchen Grußbotschaften an die deutschen Muslim*innen und auch regionale und überregionale Medien berichten regelmäßig über den Beginn der Fastenzeit. Darin wird auch Anteilnahme deutlich, dass der Ramadan 2021 bereits zum zweiten Mal nicht in gewohnter Form mit Freund*innen oder dem gemeinsamen Fastenbrechen begangen werden konnte. Gleichzeitig wirken gesellschaftlich verbreitete Bilder und Stereotype, diskriminierende Mutmaßungen bis hin zu rassistischen Einstellungen auch in die Schule hinein. So gab es auch Fälle, in denen Jugendliche in die Nähe islamistischer Ideologie gerückt wurden, nur weil sie in der Schule fasten wollen. Tatsächlich gibt es nur selten wirkliche Konflikte um den Ramadan, die sich nicht im Gespräch lösen lassen. Allerdings können diskriminierende Einstellungen zu Islam und Ramadan dazu beitragen, dass gerade Jugendliche sich zurückgesetzt fühlen und – ‚jetzt erst recht‘ - auf bestimmten, teils nur vermeintlichen Besonderheiten ‚ihrer‘ Religion bestehen.

Sport und andere Aktivitäten

Wenn Sport und Schulfeste oder andere Aktivitäten, die mit körperlichen Anstrengungen verbunden sind, in die Zeit des Ramadans fallen, stellt das für fastende Jugendliche eine besondere Belastung dar. Das ist nicht immer zu vermeiden (und gilt ja auch für mentale und geistige Anstrengungen wie zum Beispiel Klassenarbeiten). Unterrichtsbefreiungen sind in diesem Fall nicht möglich. Schulen sollen aber laut Bundesverfassungsgericht, wo es ihnen möglich ist, Rücksicht auf religiöse Bedürfnisse von Schüler*innen nehmen. Zugleich ist es ein wertschätzendes Signal, wenn Schulen versuchen, die Fastenzeit in ihre Jahresplanung einzubeziehen oder Anforderungen an Schüler*innen im Sportunterricht anzupassen. Im Gespräch mit Jugendlichen und Eltern können Schulleitungen und Lehrkräfte das Gefühl vermitteln, dass ihre Bedenken und Bedürfnisse genauso zählen wie die aller anderen Eltern und Schüler*innen. Ziel ist es auch hier, durch Kommunikation ein Klima zu schaffen, in dem weniger Konflikte entstehen und bestehende Konflikte gemeinsam gelöst werden können. Beispiel: Profifußballer*innen sind nach verbreiteter Lesart vom Fasten ausgenommen, Amateur*innen aber nicht. Was gilt für Schüler*innen in Leistungsprüfungen, die über ihre Noten entscheiden?

Rituale

Die Schule ist kein (religions-)neutraler Ort – und sei es nur, weil sich hier viele Menschen begegnen, denen ihre Religion mehr oder weniger wichtig ist. Religiöse und familiäre Rituale im Ramadan wie früh eingenommene Mahlzeiten, der Verzicht auf Essen und Trinken am Tage, spätes abendliches Fastenbrechen oder Abendgebete in der Moschee können bei fastenden Jugendlichen zu Müdigkeit, Nervosität oder auch Gereiztheit führen. Damit verantwortungsbewusst umzugehen ist Aufgabe der Fastenden. Die Schule kann sie dabei unterstützen, wenn sie Verständnis für die Bemühung der Fastenden zeigt, wie z.B. ein gemeinsames Fastenbrechen in der Schule. Solche Signale fördern das positive Schulklima und können helfen, auch den Alltag zu bewältigen. Getränke anzubieten, ist hingegen in kritischen Momenten (wenn man meint, Kinder müssen etwas trinken) meist keine Hilfe, es bringt die Fastenden eher in Konflikte und Rechtfertigungsdruck. Weil das Fasten auch eine Art Initiationsritus darstellt, fasten mitunter schon Kinder, die ‚den Großen‘ nacheifern möchten. Hier sollte das Gespräch mit den Eltern (oder Sorgeberechtigten) gesucht werden (s. Gesundheit).

Rituale

Schülerin (15 Jahre, Berlin): „Natürlich faste ich, zumindest an vielen Tagen. Ich gebe zu, dass ich es nicht immer ganz durchhalte. Besonders schwer ist es, wenn man einen Schulausflug macht oder zu Feiern eingeladen ist, wo alle essen und trinken. Eigentlich wollte ich aber gar nicht über diese Härten sprechen. Für mich ist der Ramadan der wichtigste Monat des Jahres. Er bringt mich Gott näher und es ist schön, viel Zeit mit der Familie zu verbringen.“

Schüler (13 Jahre, Berlin): „Natürlich faste ich, ich bin schließlich Muslim. Was nervt, sind die Kommentare der Lehrer*innen. Die kapieren nichts. Die einen sind ganz besorgt. Eine Lehrerin meinte tatsächlich: ‚Komm, trink schnell heimlich etwas. Merkt doch keiner!‘ Peinlich, oder? Andere verdächtigen mich, Extremist zu sein. Am allermeisten ärgere ich mich, dass viele Lehrer*innen nicht glauben, dass ich wirklich faste. Sie trauen es mir nicht zu. Es ist manchmal hart, aber ich schaffe es schon, um es ihnen zu zeigen.“

Schülerin (13 Jahre, Berlin): „Ramadan ist schön und ich versuche, ihn zu genießen. Wenn ich mir von meinen Lehrern etwas wünschen dürfte, dann fände ich es am besten, wenn sie mich einfach in Ruhe lassen. Oder, das wäre natürlich ganz toll: Wir könnten ja einmal ein Klassenfest am Abend machen, sodass alle zusammen essen und meine Klasse einmal mitbekommt, wie lustig es ist. Aber ob das funktioniert? Sollte man es einfach mal probieren.“

Schüler (16 Jahre, Berlin): „Ich bin noch nicht ganz sicher, wie ich es dieses Jahr mache. Meine Mutter will nicht, dass ich die ganze Woche faste, wegen der Schule. Aber in meiner Klassenstufe gibt es einige Jungen, die Druck machen. Sie sagen: Wer nicht richtig fastet, ist kein Muslim. Meine Mutter sagt, ich soll mich nicht darum kümmern, was die anderen sagen. Leicht ist das aber nicht. Es wäre gut, wenn mir jemand helfen könnte, aber wer sollte das sein?“

Lehrerin (Naturwissenschaften, Gesamtschule): „Ich gebe offen zu: Ich halte nichts vom Ramadan. Schon gar nicht für Kinder in der Pubertät. Mit denen ist doch auch so schon kaum etwas anzufangen. Wenn die dann noch fasten, können sie sich endgültig nicht mehr konzentrieren. Wenn sie wenigstens etwas trinken würden. Aber dieses Fasten der Muslime ist doch gesundheitsschädlich. Ich habe den Eindruck, dass die meisten fasten, weil sie von ihren Eltern dazu angehalten werden. Bei einem Jungen in meiner Klasse hatte ich letztes Jahr aber auch den Eindruck, dass er es macht, um mich zu ärgern!“

Lehrerin (Französisch/Deutsch, Gymnasium): „Letztes Jahr war ich mit einer Klasse während des Ramadans auf Abschlussfahrt in Paris. Ich hatte fast damit gerechnet, dass die Muslime zuhause bleiben würden. Aber Paris wollten sie sich nicht entgehen lassen und zu meiner Verwunderung gab es überhaupt keine Probleme. Die haben sich ihr Essen selbst besorgt und dann in ihren Zimmern zu ihren Zeiten gegessen und getrunken. Ich war beeindruckt, dass ihnen das so wichtig ist.“

Lehrerin (Kunst, Gymnasium): „Ich finde es gut, dass die Kinder etwas haben, das ihnen wichtig ist. Viele sind ab einem bestimmten Alter nicht mehr leicht zu begeistern. Ich persönlich würde es nicht schaffen, einen Monat lang zu fasten und so haben die Kinder, die das schaffen, meine volle Bewunderung. Ich versuche, ihnen das zu zeigen. Dabei bemühe ich mich, sie nicht zu sehr zu Exoten in der Klasse zu machen. Das würde ihnen das Leben schwermachen. Ob mir das gelingt? Naja, wahrscheinlich nur halb.“

Lehrerin (Deutsch/Mathe, Gesamtschule): „Wenn ich ganz ehrlich bin: Ich fühle mich überfordert. Wir haben sowieso schon viele Probleme in der Klasse und jetzt stehen die letzten Klassenarbeiten an. Wenn die dann die Arbeiten verhauen und mündlich schlecht sind, weil sie nichts getrunken und kaum geschlafen haben – dann heißt es wieder, ich sei intolerant. Aber wäre es gerecht, sie besser zu benoten? Ich wünsche mir mehr Anleitung der Schulleitung!“

Klassenfahrten

Klassenfahrten sind in besonderer Weise herausfordernd und anstrengend für Lehrkräfte, erst recht, wenn sie in der Fastenzeit stattfinden. Viele Lehrer*innen beklagen, dass es schon schwierig genug sei, auf die Essenwünsche der einzelnen Schüler*innen einzugehen – wie sollen sie da noch verantwortungsbewusst auf das Trink- und Essverhalten von fastenden Jugendlichen achten? Das ist verständlich. Grundsätzlich sind Klassenreisen für viele muslimische Schüler*innen auch während des Ramadans unproblematisch – schließlich sind Reisende vom Fasten ausgenommen und die Fastentage können nachgeholt werden. Wenn Klassenreisen im Ramadan stattfinden, empfiehlt es sich, Fragen und Sorgen von Jugendlichen (und Eltern bzw. Sorgeberechtigten) rechtzeitig aufzugreifen. Dabei können sich Eltern, Imame oder islamische Vereine und Moscheegemeinden als gute Unterstützung erweisen.

Schulische Leistungen

Gesunde Jugendliche können sich ab der Pubertät (Religionsmündigkeit) für das Fasten entscheiden (s. Gesundheit). Allerdings sollten sie darauf achten, dass die schulischen Pflichten nicht unter dem Fasten leiden und das Fasten nicht als Freifahrtschein für schlechte Leistungen dient. Aus theologischer Sicht ist es möglich, dass Schüler*innen das Fasten unterbrechen und später nachholen, wenn sie merken, dass sie unkonzentriert werden oder wenn Klausurphasen anstehen. Besorgte Lehrkräfte sollten die Eltern informieren und ggf. eine*n muslimische*n Lehrer*in oder eine andere Vertrauensperson der Jugendlichen hinzuziehen. Generell wirkt sich das Fasten sehr unterschiedlich auf die Leistungsfähigkeit aus. Manche Jugendliche strengen sich in den Zeiten des Ramadans besonders an, um gute Leistungen zu erbringen und sind stolz darauf, wenn sie es schaffen. Schulen können Signale von Respekt und Wertschätzung vermitteln, wenn sie das Fasten im Unterricht aufgreifen und Klausuren und Veranstaltungen – soweit möglich – in die frühen Morgenstunden bzw. nicht auf hohe islamische Feiertage legen. Jugendliche sind dann am ehesten zu ‚Kompromissen‘ bereit, wenn sie nicht das Gefühl haben, etwas verteidigen zu müssen.

Abwertung und Mobbing

„Du bist kein richtiger Muslim, wenn Du im Ramadan nicht fastest!“, giften sich Schüler*innen an. Oder: „Wenn Du nicht fastest, kommst Du in die Hölle!“ – Lehrkräfte erleben während des Ramadans Situationen, in denen Schüler*innen sich gegenseitig unter Druck setzen, ‚mobben‘, in Konkurrenz zueinander treten und das Fasten als einen Wettbewerb sehen oder nichtfastende Jugendliche als ‚schlechte Muslim*innen‘ abwerten. Einige Schulen haben gute Erfahrungen damit gemacht, alljährlich vor dem Ramadan mit Eltern und Schüler*innen über verschiedene Aspekte und Praktiken des Glaubens und Fastens zu sprechen - zum Beispiel darüber, dass der Glaube etwas sehr Persönliches ist und jede*r ihn für sich und nicht für die Mitmenschen lebt. Im gemeinsamen Austausch können Vereinbarungen getroffen werden, die auf die Interessen der gesamten Schulgemeinschaft und einen wertschätzenden Umgang miteinander zielen. Wenn es dazu kommt, dass sich Schüler*innen gegenseitig unter Druck setzen, weil einige der Meinung sind, dass andere nicht richtig fasten, dann muss interveniert werden. Anlass und Thema der Intervention ist aber nicht das Fasten, sondern das konkrete Verhalten des/r betreffenden Schüler*in: Der Druck auf andere, weil sie anders denken und leben. Darüber kann man mit Jugendlichen sehr gut sprechen.

Gesundheit

Konzentrationsschwankungen gehören bei Jugendlichen zu den Herausforderungen des Ramadans, denen sie sich stellen müssen. Das kann zu Störungen im Unterricht führen, die von Lehrkräften in verständnisvoller Weise auch thematisiert werden sollten. Kommt es hingegen zu schwerwiegenden Vorfällen (v.a. im Sommer) wie Dehydrierung oder Kreislaufproblemen, steht die gesundheitliche Fürsorgepflicht an erster Stelle. Dazu können im Dialog von Schule, Jugendlichen und Eltern vorab verbindliche ‚Absprachen für den Notfall‘ getroffen werden, die sowohl der Fürsorgepflicht der Lehrkräfte als auch fastenden Jugendlichen gerecht werden. Das betrifft auch den Umgang mit in der Schule fastenden jüngeren Kindern: a) Sollten hier gesundheitliche Probleme sichtbar werden, sind diese nach Hause zu schicken bzw. von Eltern/ Sorgeberechtigten abzuholen. b) Eltern, die ihre Kinder an das Fasten heranführen möchten, könnten zum Beispiel kleinere Zeiträume zum Verzicht auf Nahrung absprechen und verdeutlichen, dass es nicht nur um den Verzicht auf Nahrung, sondern auch um die innere Einkehr geht (s. Rituale). Rechtlicher Hintergrund: Die religiöse Kindererziehung ist Teil der elterlichen Personensorge und hat auch den Willen jüngerer Kinder zu berücksichtigen. Mit Vollendung des 14. Lebensjahres sind Kinder uneingeschränkt religionsmündig.

Hintergrundinformationen & Vorschläge für die Praxis

Der Ramadan in Religion und Gesellschaft

Religiöse Vorgaben

Die Zeit des Ramadan soll eine Zeit des persönlichen Rückzugs, der guten Taten und der spirituellen Auseinandersetzung sein. Das Fasten in 29/30 Tagen, das sich jedes Jahr um elf Tage verschiebt ist eine der fünf Säulen des Islams und ein Ausdruck der Dankbarkeit gegenüber Gott und der Wertschätzung seiner Gaben. Nicht fasten sollen kranke und altersschwache Menschen, Reisende, Schwangere und Stillende sowie Frauen kurz nach der Geburt und während der Periode. Grundsätzlich gilt, dass das Fasten den Gläubigen nicht schaden soll. Im Ramadan folgen viele Muslim*innen auch dem Gebot des fünfmaligen Betens intensiver als sonst. Der Ramadan endet mit dem bis zu dreitägigen Fest des Fastenbrechens, dem Eid al-Fitr, das auch Zuckerfest genannt wird.

Gemeinschaft

Der Ramadan ist ein Familien- und Gemeinschaftsfest. Viele Familien stellen ihren Alltag um, bleiben lange wach, stehen früh auf, sind füreinander da und fasten, essen oder beten zusammen/miteinander. Möglichst mit der Familie begehen sie den Anfang eines Fastentages (Sahur) und (mit Freund*innen, Nachbar*innen oder in der Gemeinde) das Fastenbrechen (Iftar). In diesem Sinne ist der Ramadan auch für die vielen Muslim*innen eine besondere Zeit, die weniger oder gar nicht religiös sind. Ein Gefühl von Gemeinschaft und Solidarität stiftet der Ramadan aber nicht nur in der Familie, sondern auch unter Muslim*innen weltweit. Und: Jugendliche fasten meist aus eigenem Antrieb (in der Schule mitunter auch ohne Wissen der Eltern), denn wer fastet, gehört schon zu den Großen.

Gesellschaft

Während der Ramadan in mehrheitlich muslimischen Gesellschaften zu den selbstverständlichen Abläufen in Familie, Alltag und Beruf gehört, stellt er andernorts besondere Herausforderungen an Muslim*innen, aber auch an die Gesellschaft insgesamt. Insbesondere Jugendliche ‚nutzen‘ diese Zeit mitunter, um ihre Besonderheit herauszustellen und die Anerkennung solcher Ereignisse einzufordern. In Schule und Berufsleben gilt es, Mittel und Wege zu finden, die reguläre Abläufe zu ermöglichen und zugleich Rücksicht auf religiöse Bedarfe zu nehmen.

Ramadan in der Schule

Rechtliche Grundlagen

Im Ramadan gilt die Schulpflicht, die Teilnahme am regulären Unterricht ist verpflichtend. Gleichzeitig ist der Wunsch von Jugendlichen zu respektieren, die während des Ramadans fasten möchten, denn es gilt für sie die Religionsfreiheit. Die Deutsche Islamkonferenz hielt dazu schon 2009 fest: Schülerinnen und Schülern ist es unbenommen, „als Ausdruck ihrer Religionsausübungsfreiheit aus Art. 4 GG (…) auch in der Schule zu fasten und auf Nahrung und Getränke zu verzichten. Gleichwohl haben Schülerinnen und Schüler auch im Ramadan die Pflicht, daran mitzuarbeiten, dass die Aufgaben der Schule erfüllt und die Bildungsziele erreicht werden können.“ Gesunde Jugendliche ab 14 Jahren können sich demnach für das Fasten entscheiden, allerdings sollte ihnen bewusst sein, dass das Fasten nicht als ‚Ausrede‘ für mangelnde oder gar verweigerte Leistungsbereitschaft gelten kann.
Darüber hinaus gibt es keine bundesweit geltenden Vorgaben, wie Schulen konkret auf die Bedürfnisse von fastenden Schüler*innen im Unterrichtsalltag eingehen sollen.

Feiertagsregelung

In den Bundesländern werden (nicht-christliche) Schüler*innen für die höchsten Feiertage ihrer Religion befreit. In Berlin heißt es dazu in den „Ausführungsvorschriften über Beurlaubung und Befreiung vom Unterricht“ (Anlage 2/I Pkt. 2, AV Schulbesuchspflicht zu §128 SchulG):

„(1) Schülerinnen und Schüler aller Schularten und Bildungsgänge haben an den folgenden Feiertagen ihrer Religionsgemeinschaft unterrichtsfrei. Diese unterrichtsfreien Tage gelten nicht als Fehltage.

(2) Unterrichtsfreie Tage sind für (…) d) muslimische Schülerinnen und Schüler:

– erster Tag des Ramadanfestes (Şeker Bayramı/Eid al-Fitr) – erster Tag des Opferfestes (Kurban Bayramı/Eid al-Adha)“

Ein Antrag muss hier nur dann gestellt werden, wenn z.B. in der Familie der zweite Tag des Zuckerfestes gefeiert werden soll.

Vorschläge für die Praxis

In der Schule stellt der Ramadan auf vielen Ebenen eine Herausforderung dar: Der Ramadan soll bei der Planung von Klassenfahrten, Schulfeiern oder Klassenarbeiten berücksichtigt, müde und angestrengte Kinder und Jugendliche sollen ‚mitgenommen‘ werden und es kann zu Konflikten unter Jugendlichen kommen, etwa weil die einen im Ramadan fasten wollen und die anderen nicht. Gleichzeitig ist es für die Fastenden, besonders in den Sommermonaten, eine große Herausforderung, die langen Tage durchzustehen und trotzdem Leistungen zu erbringen. Schulen und Lehrkräfte können es sich selbst und den fastenden Schüler*innen leichter machen, wenn sie zum Beispiel:

  • …Gesprächsangebote vor dem Ramadan schaffen, in deren Rahmen mit Jugendlichen und Eltern über das Fasten in der Schule und die schulischen Verpflichtungen gesprochen wird.
  • …frühzeitige und verbindliche Absprachen mit Schüler*innen und Eltern über den Umgang mit gesundheitsbeeinträchtigenden Situationen treffen und Eltern in schwierigen Fällen einbeziehen.
  • …ihre Anerkennung des Ramadans und der Fastenden signalisieren, etwa indem sie die Feiertage in der Jahresplanung beachten, nicht das Gefühl vermitteln, Fasten sei ungesund oder zu einem gemeinsamen Iftar-Essen (Fastenbrechen) in Kooperation mit Eltern einladen, um das Gefühl der Zusammengehörigkeit aller Beteiligten zu stärken.
  • …zu Beginn des Ramadans Gelegenheiten schaffen, um allgemein über die Bedeutung und den Sinn des Fastens zu sprechen: In welchen Religionen wird gefastet, wie kann alternativ gefastet werden? Welche Fragen und Probleme können entstehen? Ziel solcher Formate: Respekt vor denen, die fasten, und denen, die nicht fasten.

Vielleicht helfen Ihnen auch die Praxishinweise und Handreichungen für die Schule, die Sie in den Literaturempfehlungen finden.

Literaturempfehlungen:

Amadeu Antonio Stiftung: 30 Tage. Der Fastenmonat Ramadan in der Offenen Jugendarbeit. Berlin

Bezirksamt Neukölln: „Ramadan und Schule“ Neuköllner Empfehlung. Berlin

Deutschlandfunk, Ramadan in der Schule - Fasten bis zum Umfallen, Ein Interview

Universität Luzern, Zentrum Religionsforschung: Ramadan kommt immer so plötzlich. Österreich

Zwischentöne: Ramadan - Fastenzeit und soziale Verantwortung im Islam. Berlin

Islam und Schule. Handreichung für Lehrerinnen und Lehrer an Berliner Schulen. Berlin

Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung: Vielfalt in der Schule. Hamburg

RAA Mecklenburg-Vorpommern: Kulturelle und religiöse Vielfalt in der Schule. Eine Handreichung für Lehrkräfte. Berlin

ufuq.de: Anregungen für eine diversitätsorientierte Pädagogik im Kontext von Islam in der Grundschule. Berlin

ufuq.de: “The kids are alright!“ (Kartenset)

Die Fachstelle von ufuq.de unterstützt Fachkräfte und Einrichtungen

Die Fachstelle von ufuq.de unterstützt Fachkräfte und Einrichtungen in der schulischen und außerschulischen Bildungs- und Jugendarbeit im Themenfeld Islam, antimuslimischer Rassismus und Islamismus. Sie reagiert auf Herausforderungen der Migrationsgesellschaft, die sich auch in der Bildungs- und Jugendarbeit stellen. Hierzu zählen neben polarisierenden Einstellungen und Verhaltensweisen und der Verbreitung von Ungleichwertigkeitsideologien auch eine wachsende Sichtbarkeit von antimuslimischen und von islamistischen Einstellungen. Mit Beratungen und Fortbildungen für Fachkräfte sowie Praxisformaten für Jugendliche fördert die Fachstelle Handlungskompetenzen im Umgang mit gesellschaftlicher und religiöser Diversität und unterstützt bei der Konzeption und Umsetzung von Angeboten in Pädagogik, politischer Bildung und Präventionsarbeit.