Rituale
Schülerin (15 Jahre, Berlin): „Natürlich faste ich, zumindest an vielen Tagen. Ich gebe zu, dass ich es nicht immer ganz durchhalte. Besonders schwer ist es, wenn man einen Schulausflug macht oder zu Feiern eingeladen ist, wo alle essen und trinken. Eigentlich wollte ich aber gar nicht über diese Härten sprechen. Für mich ist der Ramadan der wichtigste Monat des Jahres. Er bringt mich Gott näher und es ist schön, viel Zeit mit der Familie zu verbringen.“
Schüler (13 Jahre, Berlin): „Natürlich faste ich, ich bin schließlich Muslim. Was nervt, sind die Kommentare der Lehrer*innen. Die kapieren nichts. Die einen sind ganz besorgt. Eine Lehrerin meinte tatsächlich: ‚Komm, trink schnell heimlich etwas. Merkt doch keiner!‘ Peinlich, oder? Andere verdächtigen mich, Extremist zu sein. Am allermeisten ärgere ich mich, dass viele Lehrer*innen nicht glauben, dass ich wirklich faste. Sie trauen es mir nicht zu. Es ist manchmal hart, aber ich schaffe es schon, um es ihnen zu zeigen.“
Schülerin (13 Jahre, Berlin): „Ramadan ist schön und ich versuche, ihn zu genießen. Wenn ich mir von meinen Lehrern etwas wünschen dürfte, dann fände ich es am besten, wenn sie mich einfach in Ruhe lassen. Oder, das wäre natürlich ganz toll: Wir könnten ja einmal ein Klassenfest am Abend machen, sodass alle zusammen essen und meine Klasse einmal mitbekommt, wie lustig es ist. Aber ob das funktioniert? Sollte man es einfach mal probieren.“
Schüler (16 Jahre, Berlin): „Ich bin noch nicht ganz sicher, wie ich es dieses Jahr mache. Meine Mutter will nicht, dass ich die ganze Woche faste, wegen der Schule. Aber in meiner Klassenstufe gibt es einige Jungen, die Druck machen. Sie sagen: Wer nicht richtig fastet, ist kein Muslim. Meine Mutter sagt, ich soll mich nicht darum kümmern, was die anderen sagen. Leicht ist das aber nicht. Es wäre gut, wenn mir jemand helfen könnte, aber wer sollte das sein?“
Lehrerin (Naturwissenschaften, Gesamtschule): „Ich gebe offen zu: Ich halte nichts vom Ramadan. Schon gar nicht für Kinder in der Pubertät. Mit denen ist doch auch so schon kaum etwas anzufangen. Wenn die dann noch fasten, können sie sich endgültig nicht mehr konzentrieren. Wenn sie wenigstens etwas trinken würden. Aber dieses Fasten der Muslime ist doch gesundheitsschädlich. Ich habe den Eindruck, dass die meisten fasten, weil sie von ihren Eltern dazu angehalten werden. Bei einem Jungen in meiner Klasse hatte ich letztes Jahr aber auch den Eindruck, dass er es macht, um mich zu ärgern!“
Lehrerin (Französisch/Deutsch, Gymnasium): „Letztes Jahr war ich mit einer Klasse während des Ramadans auf Abschlussfahrt in Paris. Ich hatte fast damit gerechnet, dass die Muslime zuhause bleiben würden. Aber Paris wollten sie sich nicht entgehen lassen und zu meiner Verwunderung gab es überhaupt keine Probleme. Die haben sich ihr Essen selbst besorgt und dann in ihren Zimmern zu ihren Zeiten gegessen und getrunken. Ich war beeindruckt, dass ihnen das so wichtig ist.“
Lehrerin (Kunst, Gymnasium): „Ich finde es gut, dass die Kinder etwas haben, das ihnen wichtig ist. Viele sind ab einem bestimmten Alter nicht mehr leicht zu begeistern. Ich persönlich würde es nicht schaffen, einen Monat lang zu fasten und so haben die Kinder, die das schaffen, meine volle Bewunderung. Ich versuche, ihnen das zu zeigen. Dabei bemühe ich mich, sie nicht zu sehr zu Exoten in der Klasse zu machen. Das würde ihnen das Leben schwermachen. Ob mir das gelingt? Naja, wahrscheinlich nur halb.“
Lehrerin (Deutsch/Mathe, Gesamtschule): „Wenn ich ganz ehrlich bin: Ich fühle mich überfordert. Wir haben sowieso schon viele Probleme in der Klasse und jetzt stehen die letzten Klassenarbeiten an. Wenn die dann die Arbeiten verhauen und mündlich schlecht sind, weil sie nichts getrunken und kaum geschlafen haben – dann heißt es wieder, ich sei intolerant. Aber wäre es gerecht, sie besser zu benoten? Ich wünsche mir mehr Anleitung der Schulleitung!“